Retrospektive Fukasaku Kinji
Retrospektive Fukasaku Kinji

Es ist selten, dass ein Filmemacher sowohl von der sogenannten Kultkino-Gemeinde verehrt wie von der seriösen Kritik ob seiner Brillanz gepriesen wird: die Kriterien dieser Gruppen sind einfach zu unterschiedlich, um nicht zu sagen widersprüchlich. Einer der wenigen, deren Schaffen diesen Spagat scheinbar spielend schafft, ist FUKASAKU Kinji.
FUKASAKU Kinji ist vor allem als Revolutionär des Yakuza-Films berühmt geworden: als vielleicht der letzte, der dem Genre in seiner Ursprünglichkeit eine entscheidende Wendung geben konnte - ein wenig so wie Sam Peckinpah für den Western; alles, was nach FUKASAKU kam, waren im Prinzip mehr Reflektionen über das Genre als Genre-Arbeiten selbst: seien das nun die kühl-intellektuellen Frühwerke AOYAMA Shinjis, die kabuki-satten Exzesse MIIKE Takashis, oder die verquer-humanistischen Etuden MOCHIZUKI Rokuros, um nur drei der international bekanntesten jüngeren Regisseure, die in diesem Genre gearbeitet haben, zu nennen.
Als FUKASAKU historisch wichtigste Arbeit - für das Genre wie für sein Schaffen selbst - gilt im allgemeinen Jingi naki tatakai (Tarnished Code of Yakuza), der sich zu einem Kassenschlager sondergleichen entwickelt und ein Vierteljahrhundert japanischer Nachkriegsgeschichte aus der Sicht der Yakuza präsentiert. Dabei ist dies noch nicht einmal FUKASAKUs bestes Werk - nur bündelt und fokusiert es seine diverse Interessen, die für sich genommen schon früher in anderen Filmen oft schärfer formuliert wurden.
So findet sich seine Kritik an der Masslosigkeit des Wirtschaftswunder-Japans u.a. in Ôkami to buta to ningen (Human Wolves) sowie in vielen Gegenwarts-Szenen seiner Polemik über die japanische Kriegsschuld Gunki hatameku moto ni (Under the Flag of the Rising Sun), in denen riesige Müllkippen und apokalyptisch dampfende Fabriken als zentrale Motive immer wieder auftauchen.
Seine Kritik am japanischen Nationalismus spielt sowohl in Nihon bôryokudan kumichô (A Japanese Gang: The Big Boss) mit seinen rechtsradikalen Corporate-Gangstern, die sich einem altmodisch-anarchistischen Yakuza stellen müssen als auch in den Personenkonstellationen in Yakuza no hakaba - kuchinashi no hana (The Graveyard of Yakuza) eine zentrale Rolle, wo die Protagonisten Halb-Koreaner, Halb-Chinesen, oder in Mandschuko Geborene sind.
Film als Medium kommt stets zu spät: Er kann immer nur reflektieren, doch nie agieren. Angesichts dessen hat FUKASAKUs Vorliebe für dokumentarische Techniken - Handkamera, lange Einstellungen, heftige Zooms, eingeschobene Wochenschauszenen und wild ins Bild geknallte Zeitungsauschnitte einen gewissen hintersinnig-ironischen Charme - ganz davon abgesehen, dass sie den Filmen einen starken narrativen Zug verleihen und so auch gewisse ästhetische Strategien der Dokumentaristen der Neuen Linken aufnehmen.Diese Verzweiflung, darin dieses Gefühl einer sozialen Ohnmacht, des immer zu spät kommens, spiegelt sich in fast allen Filmen Fukasakus wieder - jedoch nirgendwo mit einer solchen Unbedingtheit wie in seinem wahren Meisterwerk Jingi no hakaba (Graveyard of Honour), dessen halb wahnsinniger Protagonist ab einem bestimmten Punkt nur noch auf die Dinge reagieren, oder sie präventiv unterdrücken, töten kann.
In gewisser Hinsicht ist Fukasaku Kinji die Eruption all jener Gefühle, die unter der Oberfläche der Werke seines grossen Vorbilds brodeln: IMAI Tadashi!
Olaf Möller
Datum
                  
                  
                  
                  
                          
                                
                                    04.04.2002 - 30.04.2002
                                  
                              
                              
                      
              
Ort
                          Japanisches Kulturinstitut
                          Universitätsstraße 98
                          50674 Köln