KUSA MEIKYÛ
DAS GRASLABYRINTH
Film
| Retrospektive Terayama Shûji
DAS GRASLABYRINTH
草迷宮
KUSA MEIKYÛ
„Als ich auf den Gedanken kam, Kusameikyû zu verfilmen, wollte ich anhand der Ballspiellied-Suchreise eines Helden die Vision der Identität zerlegen. Der Verfasser des Originaltextes, Izumi Kyôka, ist ein Schriftsteller, der sich immer mit dem Thema der Existenz mehrerer verschiedener Welten außerhalb unserer eigenen (nämlich anderen Welten) auseinandergesetzt hat. Ihre Struktur, die von der Existenz mehrerer Zentren ausgeht, hat sehr große Faszination auf mich ausgeübt. Kusameikyû ist die Geschichte eines jungen Mannes und eines Bootsmannes, die Sakefässer auf einem Schiff transportieren sowie die Geschichte eines Jungen, der auf der Suche nach dem Ursprung eines Ballspielliedes ist, das ihm von seiner verstorbenen Mutter geblieben ist. Beziehungslos kreuzen sich ihre Wege und darüber hinaus sind einige weitere Episoden mit eingewoben, so dass der Handlungsaufbau äußerst kompliziert ist.
Bei der Umsetzung dieser Geschichte in ein Drehbuch habe ich zwei Helden mit dem Namen Akira erfunden. Einer von ihnen ist ein Junge, der andere ein junger Mann, beide sind aber die gleiche Person. Würde man die Zeitebene des Jungen als Gegenwart definieren, dann würde der vom jungen Mann handelnde Teil zu einer analog gedachten Wirklichkeit, oder zu einer vorherbestimmten Vorstellung. Würde man die Zeitebene des jungen Mannes als Gegenwart definieren, würde der von dem Jungen handelnde Teil zu einer rückerinnerten Wirklichkeit, oder zu einer Vorstellung der korrigierten Erinnerung. Der Film erzählt allerdings nichts darüber, welche der beiden Zeitebenen als Erzählperspektive betrachtet werden sollen. Auch für mich selber ist jede der beiden denkbar.
Wenn man auf jeden Fall von einem „Film mit Untertitel“, einem „Film, der ein Drehbuch hat“ und einem „Film mit Schauspielern und einem Set“ ausgeht, besteht das Problem darin, auf welche Weise man den bisherigen filmischen Diskurs zerlegt. Auch besteht es darin, ob man eine „Anschauung mit Trugbildern“ schaffen kann, wenn man den Bann einer Geschichte neu betrachtet. Der bereits über 80jährige Produzent Pierre Braunberger, der früher mit Buñuel und Dali Werke wie Un chien andalou oder auch Zero de Conduite von Jean Vigo geschaffen hat, gab mir das Versprechen: „Egal, wie der Film aufgenommen wird, ich werde nichts sagen“.
Aber in dem 40minütigen Kurzfilm (der zusammengenommen mit den Werken von Walerian Borowczyk und Justin Jaeckin zu einem Omnibusfilm wird) habe ich das Gefühl gehabt, dass ich - wenn ich das mich interessierende Thema der „Selbstüberwindung“ in Bilder umsetzen wollte - in das Schicksal der Kamera hereingeholt wurde: „Je weiter ich mich von meinem Selbst entfernte, desto mehr wurden in voller Größe sämtliche Konturen meines Selbst gezeigt.“
Das Drehbuch ist mit einem Wort gesagt ein ausgezeichneter Fall von psychischer Schizophrenie (und entspricht wunderbar der klinischen Analyse von Sullivan). Meine beiden Selbst, d.h. der psychische Zustand, der einen Doppelgänger notwendig macht, die Spaltung in „gute Mutter“ und „schlechte Mutter“, der Widerspruch von Gut und Böse wie in der Lehre der Manichäer, werden nicht aufgehoben, sondern bilden eine Welt, die im Innern eines Menschen gemeinsam fortbestehen. Eine Frauenbrust - eine Kugel (hier durch den Spielball, den Mond, die Wassermelone ersetzt), der menschliche Umgang mit Visionen, das Erleiden sexueller Gewalt. Es wurde darüber hinaus zum Diskurs dieses Films, in unübertrefflicher Perfektion das (die Pathologie entblößende) Drehbuch als eine „Außenwelt“ im schnellen Tempo mit der Kamera durchlaufen zu lassen. Während des Drehens, als ich inmitten des als „Ich“ bezeichneten Labyrinths war, fing ich an mich zu fühlen, als hätte ich die Chance verloren, diese Geschichte zu unterbrechen. Dziga Vertov sagt „Kinodramen sind - Opium für das Volk“, aber ist es nicht so, dass mir nichts anderes bleibt, als mit spärlicher und mutloser Stimme zu rufen „Ich bin - für mich selber Opium?“ Auch wenn auf der Bildfläche ein großes Ballspiel, welches größer ist als mein Körper (durch eine unsichtbare Hand) mühelos weggerollt wird...
Terayama Shûji
Bei der Umsetzung dieser Geschichte in ein Drehbuch habe ich zwei Helden mit dem Namen Akira erfunden. Einer von ihnen ist ein Junge, der andere ein junger Mann, beide sind aber die gleiche Person. Würde man die Zeitebene des Jungen als Gegenwart definieren, dann würde der vom jungen Mann handelnde Teil zu einer analog gedachten Wirklichkeit, oder zu einer vorherbestimmten Vorstellung. Würde man die Zeitebene des jungen Mannes als Gegenwart definieren, würde der von dem Jungen handelnde Teil zu einer rückerinnerten Wirklichkeit, oder zu einer Vorstellung der korrigierten Erinnerung. Der Film erzählt allerdings nichts darüber, welche der beiden Zeitebenen als Erzählperspektive betrachtet werden sollen. Auch für mich selber ist jede der beiden denkbar.
Wenn man auf jeden Fall von einem „Film mit Untertitel“, einem „Film, der ein Drehbuch hat“ und einem „Film mit Schauspielern und einem Set“ ausgeht, besteht das Problem darin, auf welche Weise man den bisherigen filmischen Diskurs zerlegt. Auch besteht es darin, ob man eine „Anschauung mit Trugbildern“ schaffen kann, wenn man den Bann einer Geschichte neu betrachtet. Der bereits über 80jährige Produzent Pierre Braunberger, der früher mit Buñuel und Dali Werke wie Un chien andalou oder auch Zero de Conduite von Jean Vigo geschaffen hat, gab mir das Versprechen: „Egal, wie der Film aufgenommen wird, ich werde nichts sagen“.
Aber in dem 40minütigen Kurzfilm (der zusammengenommen mit den Werken von Walerian Borowczyk und Justin Jaeckin zu einem Omnibusfilm wird) habe ich das Gefühl gehabt, dass ich - wenn ich das mich interessierende Thema der „Selbstüberwindung“ in Bilder umsetzen wollte - in das Schicksal der Kamera hereingeholt wurde: „Je weiter ich mich von meinem Selbst entfernte, desto mehr wurden in voller Größe sämtliche Konturen meines Selbst gezeigt.“
Das Drehbuch ist mit einem Wort gesagt ein ausgezeichneter Fall von psychischer Schizophrenie (und entspricht wunderbar der klinischen Analyse von Sullivan). Meine beiden Selbst, d.h. der psychische Zustand, der einen Doppelgänger notwendig macht, die Spaltung in „gute Mutter“ und „schlechte Mutter“, der Widerspruch von Gut und Böse wie in der Lehre der Manichäer, werden nicht aufgehoben, sondern bilden eine Welt, die im Innern eines Menschen gemeinsam fortbestehen. Eine Frauenbrust - eine Kugel (hier durch den Spielball, den Mond, die Wassermelone ersetzt), der menschliche Umgang mit Visionen, das Erleiden sexueller Gewalt. Es wurde darüber hinaus zum Diskurs dieses Films, in unübertrefflicher Perfektion das (die Pathologie entblößende) Drehbuch als eine „Außenwelt“ im schnellen Tempo mit der Kamera durchlaufen zu lassen. Während des Drehens, als ich inmitten des als „Ich“ bezeichneten Labyrinths war, fing ich an mich zu fühlen, als hätte ich die Chance verloren, diese Geschichte zu unterbrechen. Dziga Vertov sagt „Kinodramen sind - Opium für das Volk“, aber ist es nicht so, dass mir nichts anderes bleibt, als mit spärlicher und mutloser Stimme zu rufen „Ich bin - für mich selber Opium?“ Auch wenn auf der Bildfläche ein großes Ballspiel, welches größer ist als mein Körper (durch eine unsichtbare Hand) mühelos weggerollt wird...
Terayama Shûji
Datum
17.07.2003 19:00 Uhr
Ort
Japanisches Kulturinstitut
Universitätsstraße 98
50674 Köln
Informationen zum Film
- Regie: TERAYAMA Shûji
- Spieldauer: 40
- Produktionsjahr: 1979
- Übersetzung: OmeU