KIOKU GA USHINAWARETA TOKI
ALS DIE ERINNERUNG VERLOREN GING
Film
| Filme von Koreeda Hirokazu
ALS DIE ERINNERUNG VERLOREN GING
記憶が失われた時
KIOKU GA USHINAWARETA TOKI
Im Jahre 1992 kam Sekine Hiroshi für eine Magenoperation ins Krankenhaus. Er musste mehrere Wochen stationär behandelt werden und wurde via Glukosetropf ernährt. Dabei bekam er jedoch kein Thiamin (Vitamin B1) zugeführt, denn aufgrund von Sparmassnahmen war das Krankenhauspersonal angehalten worden, den Kranken nicht mehr generell, sondern nur noch in berechtigten Ausnahmefällen bestimmte Vitaminzusätze zuzuführen. Sekine wäre so eine Ausnahme gewesen, doch die Verordnung war neu und keiner sich ihrer Implikationen sicher. 41 Menschen starben an Folgen dieser Sparmaßnahmen, wer weiss, wie viele andere durch sie bleibende Schäden erlitten, wie Sekine Hiroshi, der nun an Wernickescher Enzephalopathie leidet. Durch die Krankheit sind Teile seines Gedächtnisses verloren, so dass er keine Erinnerungen mehr aufbauen kann: Jeden Morgen wacht Sekine Hiroshi auf und glaubt, sich an einem Zeitpunkt circa drei Jahre vor dem folgenschweren Krankenhausaufenthalt zu befinden. Alles um ihn herum passt aber nicht mehr zu seiner Vorstellung, denn die Sekines waren in den bewussten drei Jahren umgezogen, d.h. er wacht in einer völlig ungewohnten Umgebung auf - jeden Morgen. Er wundert sich dann wahrscheinlich auch gleich über das kleine Kind, das da herumläuft, an das kann er sich nämlich nicht erinnern, da es gezeugt wurde, als er schon krank war. Dieses Kind existiert nicht für ihn und so hegt er dafür auch keine Gefühle, woher auch. Sekine Hiroshi kann sich ungefähr eine Stunde lang an etwas erinnern, dann ist es ausgelöscht. Neue Erinnerungen kann er nur unter schlimmstem Stress aufbauen, jede neu hinzugewonnene Erinnerung ist für ihn mit Angst und Schrecken verbunden. Aus diesem Grund etwa soll er auch kein Fernsehen gucken, denn der Exzess von Vernichtung und Tod würde ihn in die sichere Depression treiben. Sekine Hiroshis einzige andere Möglichkeit, Erinnerungen aufzubauen, besteht in der Wiederholung.
Am Ende von Kioku ga ushinawareta toki sagt Koreeda, dass sich Sekine Hiroshi an sie erinnert habe. Der Film und sein Subjekt sind eins geworden in einer Art, wie es im Leben nie möglich sein wird, denn auch wenn Sekine sie in der materiellen Welt als vertraut identifizieren kann, so leben sie doch in völlig verschiedenen Raum-Zeit-Gefügen, denen allein die Realitäten des Stofflichen gleich sind. Koreeda kontempliert dieses Mysterium der Paralleluniversen und findet darin eine gewaltige Metapher für das Leben. Natürlich macht der Film auch wütend auf eine Gesellschaft, die es zu solchen verirrten Leben kommen lässt, und man hätte damit auch recht, denn alle wesentlichen Werke Koreeda sprechen klar von konkreten politischen Realitäten, doch damit würde man Sekine Hiroshi gleichzeitig zu einem wahllosen Fall degradieren.
Am Ende von Kioku ga ushinawareta toki sagt Koreeda, dass sich Sekine Hiroshi an sie erinnert habe. Der Film und sein Subjekt sind eins geworden in einer Art, wie es im Leben nie möglich sein wird, denn auch wenn Sekine sie in der materiellen Welt als vertraut identifizieren kann, so leben sie doch in völlig verschiedenen Raum-Zeit-Gefügen, denen allein die Realitäten des Stofflichen gleich sind. Koreeda kontempliert dieses Mysterium der Paralleluniversen und findet darin eine gewaltige Metapher für das Leben. Natürlich macht der Film auch wütend auf eine Gesellschaft, die es zu solchen verirrten Leben kommen lässt, und man hätte damit auch recht, denn alle wesentlichen Werke Koreeda sprechen klar von konkreten politischen Realitäten, doch damit würde man Sekine Hiroshi gleichzeitig zu einem wahllosen Fall degradieren.
Datum
25.04.2005 19:00 Uhr
Ort
Japanisches Kulturinstitut
Universitätsstraße 98
50674 Köln
Informationen zum Film
- Regie: KOREEDA Hirokazu
- Spieldauer: 84
- Produktionsjahr: 1996
- Übersetzung: OmeU