KANZASHI

ORNAMENTAL HAIRPIN

Film | Retrospektive Shimizu Hiroshi

ORNAMENTAL HAIRPIN

KANZASHI

簪
Szenen aus der Sommerfrische von Gästen eines Thermalquellenbads: Ein eigenbrödlerischer (Privat)Gelehrter fühlt sich ständig durch irgendetwas belästigt, vor allem durch die anderen Gäste, darunter ein älterer Herr mit seinen beiden Enkeln, ein frisch verheiratetes Ehepaar, bei dem der Mann scheinbar immer erst seine Gattin um Erlaubnis fragt, bevor er etwas sagt, sowie ein demobilisierter Soldat, der einfach nur da ist, aber selbst das ist dem Knöttersack schon zuviel. Zu allem Überfluss kriegt er nie einen Masseur, da die Reisegruppen, die das Hotel durchschwappen, immer alle für sich brauchen und deshalb vorab gebucht haben.
Beim Baden kommen sich die Langzeitgäste näher, erst recht, als der Ex-Soldat eines Tages auf eine Schmuckhaarnadel tritt, so unglücklich, dass er sich den Fuß arg verletzt und sogar das Gehen neu erlernen muss. Die Schmuckhaarnadel gehört einer jener Durchgangs-Touristinnen, die sich, als man ihr von dem Malheur berichtet, sofort auf den Weg macht, um sich persönlich für all die Unbill zu entschuldigen und zu sehen, ob sie dem armen Mann helfen kann. Nicht zuletzt auch, um vor ihren eigenen Problemen daheim zu flüchten.

Kanzashi ist eines von vier (!) Meisterwerken, die Shimizu im Jahre 1941 inszenierte, das Heiterste, dessen Gutgelauntheit sich zu Zeiten ins Rustikal-Burleske steigert. Lautes Kindergeschrei stimmt den Grundton an, ständig rappelt's und scheppert's, giggelt's und prustet's - wie das eben so ist in einem Ferienhotel -, und gegen Ende wird sogar ein veritabler Schnarchwettbewerb ausgetragen. Eine feine Melancholie, die Ahnung verpasster Chancen, sowie die epische Schönheit der Natur in all ihrer Indifferenz gegenüber dem Menschen, macht daraus ein harmonisches, wohlmoduliertes Ganzes. Kanzashi ist außerdem ein perfektes Beispiel für Shimizus Dramaturgie der Variationen: In den ersten Minuten werden einige Grundsituationen präsentiert, die dann in der Folge immer wieder variiert werden, etwa die Unlust des grummeligen Gelehrten, immer wieder noch eine und noch eine Partie des Brettspiels Go mit dem Großvater zu spielen; oder der Mann, der sich sukzessive, gestraft von den mahnenden Blicken des Gelehrten, von der Meinung seiner Gattin emanzipiert; oder natürlich die diversen Szenen, in denen der Soldat wieder das Laufen erlernt. Einige dieser Szenen selbst sind Variationen über frühere bzw. Vorahnungen späterer Szenen in anderen Filmen Shimizus. Das humpelnde Bezwingen einer steilen Treppe etwa findet sich später in Shiinomi gakuen wieder, während die zwei blinden Masseure, die lässig auf einem schmalen Holzsteg einen Fluss überqueren, was kurz zuvor für den Fußkranken noch eine riesige Leistung war, dem früheren Anma to onna entsprungen sein könnten.

Datum
01.04.2004 19:00 Uhr

Ort
Japanisches Kulturinstitut
Universitätsstraße 98
50674 Köln

Informationen zum Film

  • Regie: SHIMIZU Hiroshi
  • Spieldauer: 70
  • Produktionsjahr: 1941
  • Übersetzung: OmeU