Japanische Neujahrsfilme
Japanische Neujahrsfilme
So wie es früher in der BRD den Advents-Vierteiler im Fernsehen gab und in den USA den Weihnachts-Film im Kino immer noch gibt, so kennt man in Ostasien, also auch in Japan, den Neujahrsfilm: Kinoproduktionen, die an bzw. um Neujahr herum starten.
Neujahrsfilme, oshôgatsu eiga, sind mehr eine Produktionskultur denn ein Genre im klassischen Sinne, da sie selten direkt inhaltlich etwas mit den Feiertagen und deren Bedeutung zu tun haben, wobei jedoch ihre Sujets stets zum Traditionsbewussten neigen. Sie sind eine oft Star-gespickte Unterhaltungsware für die ganze, mehrere Generationen umfassende Großfamilie, die eine freundliche Aura allseitiger Glückseligkeit verbreitet. Vor allen Dingen sind es immer potentielle Kassenschlager, denn am Neujahrfilm hängt oft genug das Wohl und Wehe eines Studios für den Rest des Jahres: bleibt der Neujahrsfilm finanziell hinter den Erwartungen zurück, kann der Produktionsplan für den Rest des Jahres zusammenbrechen.
Die Produktionsfirma Shôchiku war über Dekaden hinweg stets mit einem neuen Tora-san-Film zu Neujahr am Start. Nach dem Tod des Hauptdarstellers ATSUMI Kiyoshi hat eine andere Filmreihe, Tsuribaka nisshi, Platz und Funktion von Tora-san in Japans Alltagsleben eingenommen.
Tora-san vertritt genau die Werte, die ein Neujahrsfilm vermitteln soll: Er hat einen Beruf, den es so eigentlich gar nicht mehr gibt (tekiya, also fliegender Händler), stammt aus der shitamachi (Shibamata), wohin es ihn auch kursorisch zurückzieht, und kommt zudem bei seinen Liebes(un)fällen durch ganz Japan, so dass man in jedem Film ein anderes Stückchen Heimat mit seinen jeweils lokalen Sehenswürdigkeiten und Spezialitäten erlebt. Eine alte Wehmütigkeit durchzieht die Filme, konterkarriert durch ein robustes Aufbruchsrucken - passend zur Jahreswende.
IZUTSU Kazuyukis Nodo jiman verdichtet das alles in einem Film. Nodo jiman ist ähnlich wie die Tora-san-Filme eine Institution der japanischen Populärkultur. Ein Amateurgesangswettbewerb, der jede Woche von einem anderen Fleckchen Japans aus gesendet wird, und dessen Darbietungen stets etwas für jeden in der Familie zu bieten haben, vom enka für Oma & Opa über den Schlager für die Eltern bis hin zum aktuellen Pop-Song, den etwa ein verschämter Teenager für seine heimlich Angebetete zum Besten gibt, was die Kinder des Hauses zum Quietschen bringt. Vor dieser Ewigkeit der Unterhaltungskultur mit ihren eigenen Zyklen und Wandlungen vollzieht sich eine exemplarische Geschichte, die für den Geist des Neujahrsfestes steht.
Olaf Möller
* Alle Filme sind im Original mit deutschen Untertiteln
Datum
10.01.2005 - 28.02.2005
Ort
Japanisches Kulturinstitut
Universitätsstraße 98
50674 Köln
Filme in dieser Filmreihe
Otoko wa tsurai yo - Hana mo arashi mo Torajirô
