GUNKI HATAMEKU MOTO NI
UNDER THE FLAG OF THE RISING SUN
Film
| Neuerwerbungen unserer Filmbibliothek 2004
UNDER THE FLAG OF THE RISING SUN
軍旗はためく下に
GUNKI HATAMEKU MOTO NI
Seit nunmehr zwanzig Jahren versucht Togashi Sakie, eine Witwen-Rente für ihren im Pazifik-Krieg zu Tode gekommenen Gatten zugesprochen zu bekommen - vergeblich, da Togashi Katsuo, so die Akten, während der letzten Kriegstage in Neuguinea von einem Erschießungskommando wegen Feigheit vor dem Feind hingerichtet worden sein soll. Sakie ist so verzweifelt wie skeptisch: ersteres, weil sie nicht glauben kann, dass ihr Gatte ein Feigling gewesen sein soll, letzteres, weil man ihr die entsprechenden Prozessakten nie vorlegen konnte oder wollte.
Im einundzwanzigsten Jahr ihres Kampfes mit der Bürokratie macht man Sakie darauf aufmerksam, dass aus der Abteilung ihres Gatten vier seiner Kameraden bis dato eine offizielle Anfrage bezüglich der Klärung dieses Vorfalls nicht beantwortet hatten. So macht sie sich auf die Sche nach diesen Männern, von denen sie einen mit seinen Schweinen im Slum findet.
Was diese Geknechteten der Erinnerung, oft erst nach vielen Lügen, ihr an Wahrheiten über ihrer aller Degeneration während des Krieges erzählen, übertrifft an Schrecklichkeit und Widermenschlichkeit jedoch alles, was sie sich auch nur in Ansätzen hatte vorstellen können: sie bekommt - in Teilen voller sich oft widersprechender Details - eine Geschichte über Verrat, Massaker in den eigenen Reihen, Morde an Vorgesetzten, und Kannibalismus zu hören.
Zuerst fragt man sich: Warum hatten die großen Studios solche Probleme mit dem Buch, dass Fukasaku sich eine unabhängige Produktionsfirma zur Realisierung dieses Stoffes suchen musste, wenn darin eigentlich nichts erzählt wird, was nicht früher schon anderswo zu lesen bzw. zu sehen war (mit der Frage des Kannibalismus etwa hatte sich Ichikawa Kon schon in seinem Klassiker Nobi eingehend beschäftigt). Die Antwort liegt darin, dass die Konstruktion der Geschichte - die Reihenfolge, in der die einzelnen Greueltaten offenbart werden und die brillante Arbeit mit den Divergenzen und Konvergenzen zwischen den Geschichten der einzelnen Soldaten - den jeweiligen Akten eine moralisch wie politisch so noch nie dagewesene Tragweite gaben. Ganz davon abgesehen, dass der Film Zusammenhänge sucht und findet zwischen den Ereignissen des Krieges und dem neuerstarkten Japan. Die individuelle Grausamkeit ist hier nicht kriegsspezifisch, sondern menschheitsimmanent.
Für Fukasaku liegt die einzige Hoffnung in der aufrichtigen Scham der Täter, der Demut der sie Umgebenden, und der gesamtgesellschaftliche Wille zur Reflektion - statt in dem sinnentleerten Kult der Buße.
Text: Olaf Möller
Im einundzwanzigsten Jahr ihres Kampfes mit der Bürokratie macht man Sakie darauf aufmerksam, dass aus der Abteilung ihres Gatten vier seiner Kameraden bis dato eine offizielle Anfrage bezüglich der Klärung dieses Vorfalls nicht beantwortet hatten. So macht sie sich auf die Sche nach diesen Männern, von denen sie einen mit seinen Schweinen im Slum findet.
Was diese Geknechteten der Erinnerung, oft erst nach vielen Lügen, ihr an Wahrheiten über ihrer aller Degeneration während des Krieges erzählen, übertrifft an Schrecklichkeit und Widermenschlichkeit jedoch alles, was sie sich auch nur in Ansätzen hatte vorstellen können: sie bekommt - in Teilen voller sich oft widersprechender Details - eine Geschichte über Verrat, Massaker in den eigenen Reihen, Morde an Vorgesetzten, und Kannibalismus zu hören.
Zuerst fragt man sich: Warum hatten die großen Studios solche Probleme mit dem Buch, dass Fukasaku sich eine unabhängige Produktionsfirma zur Realisierung dieses Stoffes suchen musste, wenn darin eigentlich nichts erzählt wird, was nicht früher schon anderswo zu lesen bzw. zu sehen war (mit der Frage des Kannibalismus etwa hatte sich Ichikawa Kon schon in seinem Klassiker Nobi eingehend beschäftigt). Die Antwort liegt darin, dass die Konstruktion der Geschichte - die Reihenfolge, in der die einzelnen Greueltaten offenbart werden und die brillante Arbeit mit den Divergenzen und Konvergenzen zwischen den Geschichten der einzelnen Soldaten - den jeweiligen Akten eine moralisch wie politisch so noch nie dagewesene Tragweite gaben. Ganz davon abgesehen, dass der Film Zusammenhänge sucht und findet zwischen den Ereignissen des Krieges und dem neuerstarkten Japan. Die individuelle Grausamkeit ist hier nicht kriegsspezifisch, sondern menschheitsimmanent.
Für Fukasaku liegt die einzige Hoffnung in der aufrichtigen Scham der Täter, der Demut der sie Umgebenden, und der gesamtgesellschaftliche Wille zur Reflektion - statt in dem sinnentleerten Kult der Buße.
Text: Olaf Möller
Datum
12.07.2004 19:00 Uhr
Ort
Japanisches Kulturinstitut
Universitätsstraße 98
50674 Köln
Informationen zum Film
- Regie: FUKASAKU Kinji
- Spieldauer: 96
- Produktionsjahr: 1971
- Übersetzung: OmU