Art Theatre Guild
Unabhängiges japanisches Kino von 1962 - 1984
Art Theatre Guild
Unabhängiges japanisches Kino von 1962 - 1984

„Die Produktions- und Verleihfirma ATG - Art Theatre Guild war ab Mitte der sechziger Jahre die zentrale Heimstätte des unabhängigen japanischen Autorenfilms. Während die marktbeherrschenden Filmstudios auf altbewährte Formeln setzten und Neuerungen reserviert gegenüberstanden, propagierte ATG ein innovatives Kino der Vielfalt. In diesen Filmen, die im Westen teilweise noch völlig unbekannt sind, verbindet sich der turbulente gesellschaftliche Hintergrund der 60er und 70er Jahre (die Studentenbewegung, politisches Chaos, das Streben nach sexueller Befreiung) mit einer großen künstlerischen Gestaltungskraft. Die faszinierenden Bild- und Erzähltraditionen Japans werden meist auf neue, absolut zeitgenössische Sujets angewendet: eine rebellische Jugendkultur, Terrorismus und Attacken auf den Staat, scharfe Kritik am „gangsteristischen“ Kapitalismus und extreme Formen der Sexualität.
ATG wurde 1961 als Verleih mit angeschlossener Kinokette gegründet. Neben bedeutenden Filmklassikern, die in Japan noch unbekannt waren, etwa von Eisenstein, Bunuel, Fellini, Welles oder Bresson, verlieh ATG auch die aktuellen Filme der jungen Generation - Godard, Truffaut, Cassavetes, Tarkowskij - und trug so wesentlich zur Bildung eines filmgeschichtlichen Bewusstseins bei. Man brachte aber auch unabhängige Filme japanischer Regisseure in die Kinos, z.B. Meisterwerke von Hiroshi Teshigahara, Kaneto Shindô, Yukio Mishima, Seijun Suzuki und Jôzô Itami.
1967 begann ATG, selbst Filme zu produzieren und wurde innerhalb kurzer Zeit zur wichtigsten Produktionsgesellschaft für das künstlerische Kino. Zu Beginn standen die Regisseure der japanischen Nouvelle Vague im Mittelpunkt, die bei ATG nach dem Bruch mit der konservativen Industrie eine neue Heimat fanden. Die Art Theatre Guild ermöglichte viele Hauptwerke dieser „Neuen Welle“ - Nagisa Ôshimas Death by Hanging, Boy und The Ceremony; Yoshishige Yoshidas Eros + Massacre und Coup d’Etat; Double Suicide von Masahiro Shinoda; Inferno of First Love von Susumu Hani oder Shohei Imamuras A Man Vanishes. Die Rolle von ATG für die Entwicklung dieser Regisseure und damit für den Umbruch im japanischen Film kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
ATG beruhte auf einem einzigartigen Produktionssystem. Die eingereichten Projekte wurden von einer unabhängigen Jury aus führenden Filmkritikern allein nach künstlerischen Gesichtspunkten ausgewählt. Die Budgets waren gering und wurden zur Hälfte von den Regisseuren beigesteuert, die freie Hand bei der Verwirklichung ihrer Visionen hatten. Vor diesem Hintergrund produzierte ATG eine Reihe äußerst radikaler Filme von Toshio Matsumoto (Funeral of Roses) oder Akio Jissôji (This Transient Life) sowie zentrale Werke von Shûji Terayama und Nagisa Ôshima. Die Filme wurden in den Kinos von ATG gezeigt, deren Herzstück das Shinjuku Bunka Kino in Tôkyô war - bis zu seiner Schließung im Jahr 1974 ein spartenübergreifendes Zentrum der japanischen Avantgardebewegung.
Nachdem sich die aufgeheizte politische Lage, die die frühen Filme von ATG stark prägte, beruhigt hatte, wandte sich die Art Theatre Guild in den 70er Jahren verstärkt dem Nachwuchs zu und verhalf jungen Regisseuren wie Kazuhiko Hasegawa (Murderer of Youth) oder Sôgô Ishii (Crazy Family) zu ihren ersten großen Spielfilmen. ATG ermöglichte visionären Filmemachern wie Kôji Wakamatsu (Ecstasy of Angels), aus dem Ghetto des Sexploitation-Kinos auszubrechen, und altgedienten Studioregisseuren wie Kon Ichikawa (The Wanderers) oder Kihachi Okamoto (Human Bullet), ihre lang gehegten Herzensprojekte zu realisieren.
1986 stellte ATG seine Filmproduktion, 1992 auch die Verleihtätigkeit ein. Neue Produzenten, Verleiher und Kinobetreiber setzten den Weg eines kompromisslos unabhängigen Kinos fort.“
aus der Presseankündigung zur Viennale-Retrospektive
Die Reihe zeigt eine Auswahl von Filmen der großen Retrospektive des Österreichischen Filmmuseums und der Viennale, die von Roland Domenig erarbeitet und kuratiert wurde.
Alle Filme sind - soweit nicht anders vermerkt - im japanischen Original mit englischen Untertiteln.
Bitte beachten Sie, dass die ATG-Reihe bis zum 5. Februar 2004 auch in Berlin (Kino Arsenal) sowie Teile der Reihe im Februar in Frankfurt (Filmmuseum Frankfurt) gezeigt werden.
Datum
06.11.2003 - 17.02.2004
Ort
Japanisches Kulturinstitut
Universitätsstraße 98
50674 Köln